Zoo Zürich, 11.10.2018
Ein Todesfall, Gedanken zum Leben und die schönste Raubkatze dieser Welt.
In der Nacht auf den 5. September 2018 verstarb Amurtigerdame Elena. Der unerwartete Tod der 14-jährigen Raubkatze löste bei vielen Besuchern und Mitarbeitern des Zoos grosse Betroffenheit aus. Auch ich verbrachte über all die Jahre unzählige Stunden mit der tempramentvollen Diva. Ende August besuchte ich sie zum letzten Mal. Nie hätte ich damals gedacht, dass Elena eine Woche später tot sein könnte. Nach dem ersten Schock wurde mir einmal mehr klar, wie schnell alles gehen kann. Wie schnell alles vorbei sein kann.
Zu oft nehmen wir den Status quo als selbstverständlich hin. Zu oft gehen wir davon aus, dass alles so bleibt wie es ist, nur weil es schon lange so war. Zu oft gehen wir mit unserer Gesundheit, unseren Freundschaften, unserer Umwelt und unseren Öko-, Polit-, Wirtschafts- und Sozialsystemen um, wie wenn sich am aktuellen Zustand nie etwas ändern würde, egal was wir tun oder eben nicht tun. Wir kümmern uns meist erst dann darum, wenn sich etwas (negativ) verändert hat. Aufgrund der jahrelangen Untätigkeit und Gleichgültigkeit reagieren wir auf die neuen Gegebenheiten mit Überraschung und Unverständnis, gefolgt von Frustration und Jammern. Und anstelle die Ursache im eigenen Tun und Unterlassen zu suchen, sind am Verlauf der Dinge immer andere schuld.
Dass aus einem "Später" ein "Nie" werden kann, realisiert man in der Regel erst, wenn es zu spät ist. Der Tod von Elena hat mich einmal mehr daran erinnert, wie wertvoll es ist, sich der Vergänglichkeit des Lebens und dessen Inhalts bewusst zu sein. Wie wertvoll es ist, sein Leben in der Gegenwart zu leben. Wie wertvoll es ist, das Beste daraus zu machen, solange man die Gelegenheit dazu hat, anstelle sich später über verpasste Gelegenheiten zu beklagen.
Was für die tiefgründigeren Aspekte des Lebens gilt, gilt auch für Zoobesuche. Man sollte die schönste Raubkatze dieser Welt besuchen, solange man die Gelegenheit dazu hat. Aus diesem Grund schaute ich heute Nachmittag nach einigen Wochen im Ausland endlich wieder einmal bei Schneeleopard Villy vorbei.
Der zu Beginn äusserst gut besuchte Zoo leerte sich dank einigen Regentropfen und sinkenden Temperaturen bald, sodass ich die Zeit mit Villy in Ruhe geniessen konnte. Kurz nach meiner Ankunft schlief er noch, wenige Minuten später stand er auf und zeigte sich lange direkt vor dem Besucherbereich. Als er sich ein weiteres Nickerchen gönnte, schaute ich kurz bei Amurtiger Sayan vorbei, ging aber bald zurück zu Villy. Prompt kam er nochmals kurz vor Betriebsschluss zu mir ans Gitter.
Durch den Tod von Elena genoss ich die Zeit mit Villy heute umso mehr. Danke für die vielen Jahre und Momente, Elena. Danke für die vielen Jahre und Momente, Villy. Danke für die vielen Jahre und Momente, Zoo Zürich.