Watermark Surf House Espinho, 21.09.-03.10.2019
Ein Zuhause 1500 km von Zuhause entfernt.
Im Juni 2016 reiste ich zum ersten Mal zum Surfen nach Portugal. Mittlerweile war ich zum neunten Mal dort. Acht Mal in Folge im Watermark Surf House Espinho. Es fühlte sich wie nach Hause kommen an.
Vor meiner Reise war ich dieses Mal zwar noch etwas skeptisch. Da die Betreiber Rui und Ricardo ihr Surfcamp in ein neues Haus verlegt hatten, wusste ich nicht, was mich erwarten wird. Ich reiste mit gemischten Gefühlen nach Espinho. Mit dem neuen Haus stiegen auch die Preise. Früher konnte man sehr günstig ein Bett in einem Zweier-Zimmer mit Gemeinschaftsbad buchen, im neuen Haus muss man sich für den Neuner-Dorm (!) oder ein (teureres) Doppelzimmer mit oder ohne eigenem Bad entscheiden. Gerade als Alleinreisender, der nachts gerne seine Ruhe hat, eine kostspielige Neuerung. Glücklicherweise konnte ich meine Freundin im letzten Jahr für das Surfen begeistern und so reisten wir nun zum zweiten Mal gemeinsam nach Espinho. Damit war auch die Zimmerwahl im neuen Haus schnell entschieden: Ein Doppelzimmer mit eigenem Bad. Die absolut richtige Entscheidung, wie sich herausstellen sollte.
Das neue Haus ist im traditionellen portugiesischem Stil gebaut, hat Charme und wurde mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Die Gemeinschaftsräume sowie der Keller für die Surfboards und Wetsuits sind deutlich grösser als im alten Haus. Auch unser Doppelzimmer im Dach war wunderschön, gemütlich, hatte genügend Platz und bot durch die hohe Decke viel Luft zum Atmen sowie ein tolles Raumgefühl. Nicht zuletzt lernten wir auch unser eigenes Bad schnell zu schätzen. Kurzum: Die Preise sind zwar gestiegen, man kriegt im neuen Haus aber auch viel mehr geboten. Meine Skepsis verwandelte sich schnell in Begeisterung. Das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt im Watermark Surf House weiterhin.
Nicht nur das neue Haus, auch das Wetter in Espinho zeigte sich von seiner besten Seite. Wir hatten über die gesamten zwölf Tage keinen einzigen Regentag! Das Meer spielte ebenfalls mit und bot uns einen schönen Atlantik-Herbstswell. Leider musste ich an den besten Tagen vom Strand aus zusehen. Ich hatte es doch tatsächlich geschafft, mich am dritten Surftag zu verletzen. Viel Swell, ein Chicken Dive und eine zu kurze Leash sind eine schlechte Kombination. Nachdem mich mein Brett mit Anlauf und Finnen voraus im Gesicht geküsst hatte, ging es direkt vom Lineup in die Notaufnahme. Zwei Stiche und fünf Tage Wasserverbot. Verdammt!
Meine Verletzung hatte aber auch ihre guten Seiten. Einerseits hatte ich Glück im Unglück. Das hätte viel schlimmer ausgehen können! Zudem konnte ich meine Zwangspause dafür nutzen, mich der Fotografie zu widmen. So entstanden ein paar gute (und lustige) Bilder von Ricardo, Surfguide Alex, meiner Freundin und anderen Watermark Gästen beim Surfen. Ebenso konnten ich lokale Fischer bei ihrer Arbeit beobachten und fotografieren. Eine sehr interessante und spannende Angelegenheit! Kaum waren die Netze an Land, wimmelte es am Himmel von Möwen. Hin und wieder schafften es die frechen Vögel, den Fischern einen Krebs, einen Fisch oder gar einen kleinen Rochen abzugreifen. Auch dabei entstanden ein paar gute Bilder. Mein einziger Wermutstropfen war, dass sich in den Netzen der Fischer auch Katzenhaie befanden.
Zwölf Tage lang genossen wir jeden Sonnenstrahl, die frische Meeresluft und die portugiesische Küche. An unserem letzten Abend verabschiedete sich Espinho sogar noch mit einem der schönsten Sonnenuntergänge, die ich je in Portugal gesehen habe. Am meisten genoss ich aber die menschliche Wärme, die mir in Espinho erneut entgegengebracht wurde. Ich könnte Geschichten von befreundeten Einheimischen, anderen Watermark Gästen, flüchtigen Bekanntschaften auf der Strasse, zuvorkommenden Kellnern und hilfsbereiten Restaurantbesitzern erzählen. Da dies den Rahmen sprengen würde, gehe ich hier aber nur auf Rui und Ricardo ein.
Bereits mein erster Besuch im Watermark Surf House im August 2016 fühlte sich an, als würde ich die beiden schon lange kennen. Es ist eindrücklich, herzerwärmend und vor allem nicht selbstverständlich, mit wie viel Aufmerksamkeit, Hingabe und Liebe Rui und Ricardo ihr Surfcamp betreiben. Obwohl beide nebenbei noch Jobs, eine Familie und Kinder haben, streben sie möglichst viel persönlichen Kontakt zu ihren Gästen an. Regelmässig schaut jemand im Haus vorbei, ob alles in Ordnung ist und die Gäste zufrieden sind. Man geht zusammen essen, trifft sich im Wasser und unternimmt sonstige Dinge zusammen. Für Fragen, Wünsche und Anliegen aller Art findet man bei Rui und Ricardo immer ein offenes Ohr. Gastfreundlichkeit ist im Watermark Surf House keine leere Floskel und die (gerechtfertigten) Bestnoten auf Tripadvisor sprechen eine klare Sprache.
Als ich nach meiner Verletzung erst ins lokale Gesundheitszentrum und dann zum Nähen ins weit entfernte Krankenhaus musste, konnte ich mich auf Rui und Ricardo verlassen. Ich hätte auch ein Taxi nehmen können, aber die beiden bestanden darauf, mich hinzufahren und abzuholen. Obwohl sie ihre Kinder aus der Schule holen mussten. Obwohl es zu Hause Abendessen gab. Obwohl sie bestimmt andere Pläne für den Abend gehabt hätten. Kaum hatten sie von meiner Verletzung erfahren, waren sie für mich da, organisierten alles Nötige, chauffierten mich in der Gegend herum und spielten Dolmetscher. Mittlerweile bin ich mit den beiden gut befreundet, aber so wie ich Rui und Ricardo kenne, hätten sie das selbe auch für Gäste gemacht, die das Watermark Surf House zu ersten Mal besuchen.
Nachdem ich die perfekten Wellen im Indischen Ozean kennen und lieben gelernt habe, sind die teils chaotischen Wellen im Atlantik eigentlich kein zwingender Grund mehr, nach Portugal zu reisen. Trotzdem werde ich das Watermark Surf House Espinho weiterhin gerne besuchen. Nur schon wegen der Freundlichkeit und Herzlichkeit der Gastgeber.
Muito obrigado por tudo, hombres!