Ein Blick in die Zukunft von Bali, 18.04.2018
Kleine Insel, grosse Probleme.
Langsam geht mein Bali-Abenteuer zu Ende. Ich habe in den letzten 7 Wochen viele nette Menschen kennengelernt, wahnsinnig gut gegessen und mehr als genug Sonne getankt. Surftechnisch war die Zeit hier aber eine Enttäuschung. Zu oft stand ich viel zu früh auf, um stundenlang in einem Bus zu sitzen, von Strand zu Strand zu fahren und dann keine, kleine oder schlechte Wellen zu finden. Zu oft war das Lineup viel zu voll, wenn ausnahmsweise ein wenig Swell ankam. Zu oft erlebte ich unachtsames, leichtsinniges und teilweise sogar aggressives Verhalten im Wasser. Hinzu kamen ein Materialfehler an meinem neuen Board und gesundheitliche Rückschläge. Die Lust, jeden Tag surfen zu gehen, ist mir mittlerweile vergangen. Anstelle nach Wellen zu suchen, machten wir heute einen Ausflug in den Süden auf die Bukit Halbinsel.
Der Süden von Bali ist deutlich sauberer als die Region um Kuta und Seminyak. Auch geografisch gibt die Umgebung mit ihren grünen Wäldern, steilen Klippen, scharfkantigen Riffen, feinen Sandstränden und dem türkisblauen Meer einiges mehr her. Unser Ausflug führte von der idyllischen und fast menschenleeren Melasti Beach über die überraschend kleine und überlaufene Padang Padang Beach zu den weltberühmten Klippen von Uluwatu und schliesslich zur sehr touristischen Dreamland Beach.
Abgesehen von einer kleinen Verletzung am Fuss (Steine sind halt scharf) und einem Vogel, welcher mir doch tatsächlich auf die Kamera kackte (hauptsächlich auf die Sonnenblende, aber ein kurzes Fluchwort konnte ich mir dennoch nicht verkneifen), war der Tag ziemlich lustig. Das vollgepackte Programm und die unerbärmlich drückende Hitze zehrten aber zunehmend an den Energiereserven. Am Ende des Nachmittags war ich froh, nicht selbst nach Hause fahren zu müssen. Zudem bekamen wir einmal mehr die Verkehrsüberlastung der Insel zu spüren. Für die gut 30 km nach Hause brauchten wir 2.5 Stunden. Während wir im Stau standen und die Sonne langsam unterging, versuchte ich, all die Eindrücke der letzten 7 Wochen zu ordnen.
Bali hat den Ruf als Paradies. Auf den ersten Blick lässt man sich von der Wärme, den Stränden, den Wellen, den Sonnenuntergängen, dem Essen, den Massagen, den freundlichen Menschen und dem unbeschwerten Lebensgefühl leicht blenden. Je länger und aufmerksamer man hinschaut, desto mehr bröckelt die Fassade jedoch. Bali hat massive Probleme und steuert auf eine Katastrophe zu.
Ich war vor einem Jahr das erste Mal in Bali. Nur schon in diesem einen Jahr hat sich die Insel sichtbar verändert. Der Verkehr fliesst noch zäher, neue Hotelanlagen, Ladenlokale, Restaurants und Cafés schiessen wie Pilze aus dem Boden und die Verschmutzung ist noch stärker. Die Tourismusindustrie wuchert wie ein Tumor und breitet sich vom Süden in den Norden aus. Wälder und Reisfelder müssen Beton weichen und das Meer ist voller Müll und Plastik. Die Infrastruktur der Insel ist mit der hohen Anzahl Menschen masslos überfordert.
Für die meisten Einheimischen, mit denen ich gesprochen habe, ist der Tourismus ein zweischneidiges Schwert. Die Menschen sind arm, der Bildungsstand tief und die Arbeitslosigkeit hoch. Mit dem Tourismus kommen Arbeit, Geld und Zukunftsperspektiven auf die Insel. Gleichzeitig nehmen die Balinesen den zunehmenden Stau auf den Strassen, die immer grösseren Abfallberge und die Verschmutzung von Wäldern, Flüssen, Stränden und des Meeres als Problem wahr. Wer sich um seine Existenz sorgt, muss jedoch erst seine eigenen Probleme lösen. Viele Einheimische sehen im Tourismus die Lösung ihrer persönlichen Probleme und nehmen die Schattenseiten davon als notwendiges Übel in Kauf. Eine Sichtweise, die verständlich ist und man dem Einzelnen grundsätzlich nicht übel nehmen kann.
Es wäre die Aufgabe der Regierung, langfristig zu planen und entsprechende, nachhaltige Massnahmen zu ergreifen. Leider ist die gesamte Wirtschaft von Bali auf den Tourismus ausgelegt und die Tourismusindustrie entsprechend gut mit der Politik vernetzt. Aufgrund der stark verbreiteten Korruption ist nicht zu erwarten, dass sich in Sachen Abfallentsorgung, Abwasserreinigung, Strassennetz, Umweltschutz, Tierschutz, Arbeitnehmerschutz und dergleichen in Zukunft viel bewegen wird. Der Fokus liegt auf kurzfristigen Gewinnen für einige wenige, die langfristige Entwicklung, die Umwelt und der Fortschritt für alle bleiben wohl auf der Strecke.
Ich befürchte, der Tourismus-Boom in Bali hält nur noch 5, vielleicht 10, maximal 15 Jahre an. Wenn es so weitergeht, wird die Insel in ihren Problemen versinken und nicht mehr als Ferienparadies vermarktet werden können. Gleichzeitig hoffe ich stark, dass sich Bali in eine andere Richtung entwickeln wird, den Spagat zwischen Tourismus und Naturschutz schaffen wird und ich mit meiner Prognose falsch liege. Es wäre jammerschade um die traumhaften Ecken dieser Insel!